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DIE GOLDENEN MADONNA
"Lassen Sie sich vom Gold inspirieren"
Pater Stefan Hengst SJ ließ sich vom Gold inspirieren und stellte in seiner Predigt vom 20.01.13 die GOLDENE MADONNA im Münster von Essen vor. Die Madonna ist in purem Goldblech ummantelt und über 1000 Jahre jung. Sie ist die älteste Vollplastik nördlich der Alpen und die älteste erhaltene Marienfigur überhaupt. Im Essener Dom beheimatet ist sie ein Magnet für viele Kunsthistoriker und vieler gläubigen Menschen.
Die Hochzeit zu Kana, Joh, 2,1 -12
Predigttext von Pater Stefan Hengst SJ
Maria hat in dem heutigen Evangelium etwas sehr Kluges gemacht. Sie hat sich nicht Abwimmeln lassen und sie hat auf Jesus hingewiesen als den, der die Probleme löst. Sie selber weiß nicht, wie dem Bräutigam aus der Patsche geholfen werden kann. Das siebentägige Fest der Hochzeit ist in Gefahr genau an dem Tag, an dem der Bund fürs Leben geschlossen wird, in eine Katastrophe umzukippen. Es ist kein Wein mehr da.
Nach anfänglichem Zögern macht Jesus das, um was ihn seine Mutter gebeten hat. Es ist das erste Zeichen oder Wunder von Jesus. Der Verlauf der Erzählung ist mehr als wunderlich. Die Diener, die auf Jesu Wort hören, kennen ihn eigentlich nicht und doch folgen sie seinen überraschenden Anweisungen. Sie füllen die Krüge, die für die rituelle Waschung vorgesehen sind mit Wasser und servieren anschließend das Wasser. In Afrika hätte ich mir das nicht erlauben dürfen. Alles was auch nur entfernt mit körperlicher Reinigung zu tun hat, kann nicht für Speisen und Getränke verwendet werden. Wasser von einem Wasserkran, an dem man sich die Hände wäscht, kann nicht zum Trinken verwendet werden.
Und doch lassen sich alle auf das ein, was Maria mit ihrem Rat angestoßen hat und Jesu Macht wird sichtbar. Sein Stunde, ein großes Thema bei Johannes, dämmert herauf. Die Stunde, die ihre Vollendung findet in der Erhöhung am Kreuz.
Maria gibt den Rat und daher wird sie auch verehrt als Mutter vom guten Rat. Unter diesem Titel hat Johannes XXIII sie 1959 zur Patronin des Bistums Essen gemacht. Glücklicherweise besitzt das Bistum eine 1000 Jahre alte Madonna, die bei den Menschen in hohem Ansehen steht. Die Madonna symbolisiert das Bistum und die ganze Region. Auch die Stadtwerbung hat sie schon für sich entdeckt. Es ist die goldene Madonna.
Frau Eley lädt in ihrer Ausstellung, die sie hinter dem goldenen Feld sehen und erleben können, zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Gold ein. Was liegt also näher, als dass wir heute die goldene Madonna betrachten.
Kunsthistorisch ist sie mehr als interessant. Sie ist die älteste Vollplastik nördlich der Alpen und die älteste erhaltene Marienfigur überhaupt. Sie ist 74 cm hoch und der Sockel ist 27 cm breit. Die Vergoldung besteht aus Goldblechen, die einen Viertel mm stark sind. Der Kern ist aus Pappelholz. Insektenbefall hatte das Holz fast schon vollständig zerstört. Es wurde dreimal restauriert. Das letzte Mal an ihrem Standort am Essener Münster, um der betagten Dame eine weitere Reise zu ersparen.
Ursprünglich war die Madonna jedoch viel unterwegs. Sie gehörte dem Damenstift zu Essen und wurde in der Schatzkammer verwahrt. In mehreren Prozessionen wurde sie jedes Jahr mitgeführt. Dabei wurde sie dann auch gekrönt. Kaiser Otto III vermachte seine Kinderkrone dem Stift. Dies zeigt die enge Verbindung zwischen dem Kaiserhaus und dem Stift auf. Die Äbtissin stand in einer kritischen Zeit auf Seiten der Mutter des unmündigen Otto, die als Regentin das Reich regierte. Mit der Reformation ließen die Prozessionen nach, da die ehemals katholischen Kirchen auf dem Prozessionsweg protestantisch geworden waren.
Der erste Bischof des Ruhrbistums führte die Krönung der Madonna wieder ein. Aber nach 22 Jahren kam dieser alte Brauch wieder zu einem Ende, um die Staturen zu schonen. Was aber geblieben ist, ist dass sie ihren Platz im Essener Münster hat und ein Magnet für die Gläubigen ist.
Die Wirkung der Madonna ist sicherlich auch ihrer Vergoldung geschuldet. 95% Prozent der ersten Vergoldung ist noch erhalten. Es handelt sich dabei um ein sehr hochwertiges Gold und kleine Ausbesserungen im 11. Jahrhundert sind mit Gold einer minderen Qualität ausgeführt worden. Die Verwendung der Madonna war hauptsächlich im Freien und man muss sich einmal ihre Wirkung vorstellen, wenn die auf Hochglanz polierte Oberfläche mit der Sonne um die Wette strahlt. Diese herausragenden Wirkung mussten sogar die Kölner anerkennen, wo sich zu Zeiten des dreißig jährigen Krieges aufhielt. Augenzeugen berichteten, dass sie alle Kölner Schätze mit ihrer Pracht überstrahlte.
Das alles fand noch in einer Zeit statt, wo das Gold nicht entwertet war. Frau Eley weißt mit ihrem Goldenen Buch darauf hin, wie die Werbung das Gold entwertet hat. Passenderweise schließt das ganz aus goldenen Seiten bestehende Buch mit dem Satz ab: „Die Werbung hat das Gold zu etwas ganz gewöhnlichem gemacht.“ Im Mittelalter war das etwas anderes. Gold war für die Mächtigen und Reichen. Auf das einfache Volk muss es eine große Wirkung gehabt haben. Im Sonnenlicht scheint es selbst zu leuchten. Man muss fast die Augen zusammenkneifen. Dabei hat es aber auch einen warmen Ton, so dass man nicht abgeschreckt, sondern angezogen ist. Es ist nicht von dieser Welt, zieht aber in seinen Bannkreis. Man kann es nicht besitzen, aber möchte es doch anfassen. Es scheint warm zu sein, aber würde durch seine Kühle überraschen. Nicht ohne Grund steht das Gold in der Ikonographie für den Himmel und damit auch für das göttliche. Welches andere Material wäre dafür geeignet?
Das Gold ist eine Andeutung von mehr. Und tatsächlich barg die Madonna auch noch ein Geheimnis. In einem Hohlraum im Inneren der Statue wurden Reliquien aufbewahrt. Das Gold deutet an, es spricht laut, es enthüllt und verhüllt, es hält Überraschungen bereit, weckt Emotionen, hat einen objektiven Wert. Und doch braucht es die Welt. Die Metallhülle der goldenen Madonna trägt nicht von allein. Es braucht den ganz gewöhnlichen Werkstoff Holz. Das Gold ist fragil.
Fragilität finden wir auch in der Szene, die dargestellt ist. Jesus sitzt als Kind auf dem Schoß der Mutter. Es ist halb liegende dargestellt, eben ein kleines Kind. Und doch ist es in priesterlichem Gewand gekleidet, hebt segnend die rechte Hand und umfasst mit der Linken ein Buch zum Ausdruck, dass Jesus die Lehre verkündet. Der kleine Jesus thront schon, braucht aber die Mutter. Er schaut nur Maria an und Maria uns. Sie ist die Mittlerin. Sie ist auch die neue Eva, was im Apfel symbolisiert ist, denn sie hält. Was Adam und Eva im Sündenfall verloren haben, hat Maria in ihrem Ja wieder gut gemacht. Der Apfel kann aber auch ein Symbol für die Welt, das Universum sein.
Leicht nicht verkrampft, nicht besitzergreifend hält sie den Apfel mit ihren schlanken Fingern. Jahre später wird der Reichsapfel zu den Insignien des deutschen Kaiserreiches. Die Kaiser werden immer mit einem starken Griff um den Apfel dargestellt; sie haben bildhaft die Welt im Griff.
Maria ist anders, sie hält die Welt sacht und vorsichtig. Sie wird als Regentin dargestellt, die keinen Besitzanspruch hat, sondern nur den des Sohnes verteidigt. Eine unerhörte Aussage für das Mittelalter, in dem Frauen eine andere Rolle zugesprochen wurde. Und hier ist auch wieder eine Verbindung zu Otto III und der Regentschaft seiner Mutter. Unschuldig wie die goldene Madonna erscheint, kann ihr Programm aber durchaus politisch gedeutet werden.
Fragilität finden wir auch in der biblischen Erzählung der Hochzeit von Kanaa. Die Beziehung von Mutter und Sohn, von Maria und Jesus, gerät ins Wanken. In alter und wahrscheinlich eingespielter Manier will Maria ihren Sohn leiten, fast wie eine Regentin. Und plötzlich sträubt sich der Sohn. Jesus bricht aus. Er will sich nicht mehr lenken lassen und doch zaudert er den Apfel zu nehmen. Er sagt, dass seine Stunde noch nicht gekommen ist. Er hätte noch gerne gewartet. Doch er greift schließlich zu und wirkt sein erstes Wunder. Damit ist er auf dem Weg nach Golgotha.
Maria bemerkt den Wechsel, ihre Zeit ist vorbei und dennoch verabschiedet sie sich nicht vollständig. Sie weißt die Diener an, was zu tun ist. Eine letzte Metapher des Goldes. Die Mutter-Sohn-Beziehung wird geläutert. Natürlich war sie vorher schon etwas Kostbares und doch muss das Erreichte in einer kritischen Phase des Umschmelzens noch mal aufgegeben werden um dem größeren und noch wertvolleren Raum zu geben. Das Gold ist feiner geworden. Beimischungen, die sich aus den zu engen Familienbanden ergeben sind abgeschieden worden. Das Gold verliert durch das Läutern nichts und die Beziehung zwischen Jesus und Maria hat auch nichts verloren. Jesus wird seine Mutter in der bewegenden Szene der Kreuzigung zur Mutter aller geben. Und so glauben wir, dass Maria, die geläutert wurde, heute erst recht eine gute Fürsprecherin, Mittlerin und Ratgeberin ist.
Gold ist jenseits der Sachlichkeit und daher für das Religiöse und das Ewige, z.B. für den Ehering, bestens geeignet. Lassen sie sich vom Gold faszinieren.